Durch die Regierungskrise in Deutschland findet die Bundestagswahl vorgezogen am 23. Februar 2025 statt. Während erste Parteien bereits ihre Wahlkampfprogramme veröffentlichen, suchen wir das Gespräch. Dabei interessieren uns auch jene Parteien, die (noch) nicht im Bundestag vertreten sind. Diesmal stellt sich Steffen Große, Bundesvorsitzender des Bündnis Deutschland, unseren Fragen.
Werter Herr Große, 2025 wird ein neuer Bundestag in Deutschland gewählt. Daher gleich zum Einstieg die entscheidende Interviewfrage: Warum sollten die Wahlberechtigten Ihre Partei wählen? Für welche Positionen machen Sie sich besonders stark?
Steffen Große: Ob wir an der Bundestagswahl 2025 teilnehmen, haben wir noch nicht entschieden. Wenn BÜNDNIS DEUTSCHLAND antritt, stehen die Themen Wirtschaft, Migration/Asyl, Sicherheit, Bürokratieabbau, Rente und die Finanzlage Deutschlands im Fokus. Wir müssen dringend die Staatsausgaben reduzieren. Das ist grundlegende Voraussetzung für mehr Netto vom Brutto, für mehr Kaufkraft. Die anderen Parteien betreiben nur politische Kosmetik. Linke Tasche – rechte Tasche. Insbesondere Minister Lauterbach zieht uns jeden gewonnenen Euro wieder aus der Tasche. Die Energiekosten sind zu hoch, die Wirtschaftsaussichten sind schlecht. Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Deutschland ist ein Sanierungsfall. Die Schlaglöcher ziehen sich durch alle Ministerien.
Der demografische Wandel in Deutschland schiebt die Alterspyramide unweigerlich in ein Missverhältnis und der Renteneintritt der „Boomer“-Generation hat begonnen. Muss das bisherige Rentenalter darum angehoben werden, wie es aktuell wieder diskutiert wird? Lassen sich Generationenvertrag und Umlageverfahren so noch aufrechterhalten? Brauchen wir eine Rentenversicherung für alle (also auch unter Beteiligung von Selbstständigen, Beamten etc.)?
Steffen Große: BÜNDNIS DEUTSCHLAND ist grundsätzlich gegen eine Anhebung des Rentenalters. Eine generelle Erhöhung würde vor allem jene Menschen benachteiligen, die in körperlich anstrengenden und/oder gefährlichen Berufen arbeiten. Viele dieser Beschäftigten schaffen es schon jetzt nicht, bis zur Regelaltersgrenze durchzuhalten, und für sie stehen oft nicht genügend alternative Arbeitsplätze bereit, die sie bis zum höheren Rentenalter ausfüllen könnten.
Stattdessen befürworten wir Maßnahmen, die es attraktiver machen, freiwillig länger im Arbeitsleben zu bleiben, wenn es jeweils gewünscht ist. Beispielsweise: höhere Zuschläge für einen späteren Renteneintritt oder steuerliche und beitragsseitige Erleichterungen.
Der Gedanke, das System durch einen Kapitalstock zu stabilisieren, ist sinnvoll, allerdings wurde das Thema in der Vergangenheit falsch angegangen. Ein solider Kapitalstock müsste ohne zusätzliche Verschuldung aufgebaut werden, andernfalls werden die erwarteten Renditen durch Zinsen und Tilgungen aufgezehrt, was den erhofften Effekt reduziert. Ein positiver Ansatz könnte das Modell des norwegischen Staatsfonds sein, das auf langfristige Nachhaltigkeit setzt.
Für die Zukunft des Rentensystems ist natürlich eine höhere Geburtenrate unverzichtbar. Dazu müssen Familien gezielt gefördert werden, etwa durch den Ausbau bezahlbaren Wohnraums und die Bereitstellung kostenfreier Betreuungsplätze für alle Eltern. Es darf nicht sein, dass Kinder für Familien mit Durchschnittseinkommen ein Armutsrisiko darstellen oder dass ein Mangel an Betreuungsplätzen es erschwert, Familie und Beruf zu vereinen. Der Zugang zu bezahlbarem Wohnraum und die Möglichkeit zur kostenfreien Betreuung sind entscheidende Faktoren, um das Leben mit Kindern attraktiver zu machen. Kinder dürfen nicht als Karrierehemmnis oder als Belastung gesehen werden. Das Gegenteil. Kinder sind ein Reichtum, das müssen wir wieder stärker in die Köpfe kriegen. Wenn die Rente heute für Viele nicht mehr reicht, muss man auch offen darüber diskutieren, warum ein Heimplatz den Senioren mehr als 3.000 Euro kosten muss. Hier muss man neue Finanzierungsmodelle denken.
Welche Effekte eine Idee „alle müssen in EINE Rentenkasse einzahlen“ haben würde, auch das muss man gründlich diskutieren.
Altersarmut wird gerade in Zeiten von Inflation und steigenden Preisen für viele Menschen eine ernstzunehmende Bedrohung. Dabei rutschen auch immer mehr Menschen in die Grundsicherung, die viele Jahrzehnte gearbeitet haben. Welche rentenpolitische Reaktion erachten Sie angesichts dessen als angemessen?
Steffen Große: Völlig klar ist, dass derjenige der sein Leben lang gearbeitet und Beiträge entrichtet hat, für den dritten Lebensabschnitt, so viel Geld zur Verfügung haben muss, dass sich ein Gang zum Sozialamt erübrigt. Das hat etwas mit Anstand und Wertschätzung der Lebensleistung zu tun. Die Rentenversicherung und die Möglichkeit der zusätzlichen Absicherung sowie das Rentenniveau spielen eine wesentliche Rolle.
Der Sozialverband Deutschland (SOVD) fordert eine Erhöhung des Rentenniveaus auf 53 %. In Deutschland liegt das Rentenniveau aktuell bei 48 %, und nur Versicherte mit 45 Beitragsjahren und Durchschnittsverdienst erreichen eine Bruttorente von 1.769,40 Euro. Das reicht schon nicht mal mehr für einen Heimplatz. Viele andere europäische Länder zahlen im Verhältnis eine bessere Rente.
Ein erster rentenpolitischer Schritt zur Entlastung von Rentnern sollte die Abschaffung der Rentenbesteuerung sein. Das würde auch die Altersarmut verringern. Man muss sich die Frage stellen was es bringt, wenn man bei einem guten Verdienst die Aufwendungen für die Altersvorsorge steuerlich besser bewertet, um dann, wenn es um die Altersbezüge geht, von diesem Betrag noch Steuern zu erheben.
Die Pflichtbeiträge für Rentner zur Kranken- und Pflegeversicherung könnten reduziert werden. Rentner zahlen aktuell oft höhere Beitragsanteile als Bürgergeldempfänger, für die der Staat niedrigere Beiträge veranschlagt. Ein System, das Rentner hier besserstellt oder ihnen geringere Beitragssätze anbietet, würde die Nettorenten erhöhen und damit die Altersarmut abschwächen.
Maßnahmen zur Verhinderung von Sozialmissbrauch könnten dazu beitragen, die Sozialkassen zu entlasten. Ein effektiveres System zur Verteilung von Sozialleistungen könnte sicherstellen, dass Gelder gezielt an Bedürftige und nicht an missbräuchliche Nutznießer fließen.
Wie bewertet Sie das Generationenverhältnis in unserem Land? Ist Altersdiskriminierung oder die Geringschätzung junger Menschen real oder beobachten Sie ein eher versöhnliches Verhältnis zwischen den Generationen?
Steffen Große: Das Generationenverhältnis in Deutschland ist vielfältig und meist von gegenseitigem Respekt geprägt, dennoch gibt es Herausforderungen. Altersdiskriminierung ist für manche ältere Menschen spürbar, etwa auf dem Arbeitsmarkt oder in der gesellschaftlichen Teilhabe. Gleichzeitig erleben junge Menschen, dass ihre Zukunftsängste und Anliegen nicht immer ausreichend Gehör finden. Wir setzen uns dafür ein, das Verständnis zwischen den Generationen zu stärken und gerechte Bedingungen für alle Altersgruppen zu schaffen.
Ihre Partei ist regional bereits in der aktiven Politik beteiligt. Haben Sie Beispiele, welche inhaltlichen Aspekte Ihre Vertreter*innen seither (positiv) beeinflusst haben?
Steffen Große: Im Bremer Landtag und in den Kommunalparlamenten betreiben wir Sachpolitik ohne Brandmauern. Größere abrechenbare Ergebnisse kommen sicher noch.
Gerade kürzlich wurde bekannt, dass Volkswagen weitere Werke schließen wird. Auch andere große Unternehmen, die Deutschland einst zum Exportweltmeister gemacht haben, scheinen ins Straucheln zu geraten. Woran liegt dies? Sind die „fetten Jahre“ endgültig vorbei?
Steffen Große: Die Schwierigkeiten, die Unternehmen wie Volkswagen und andere deutsche Exporteure aktuell erleben, sind das Ergebnis mehrerer Faktoren: steigende Energiepreise, hohe Arbeitskosten, bürokratische Hürden und eine zunehmend unsichere internationale Lage machen es Unternehmen schwer, wettbewerbsfähig zu bleiben. Da kann man sich bei der Bundesregierung „bedanken“. Kostengünstige, saubere, sichere Kernenergie wurde einfach abgeschaltet. Deutschland ist diesbezüglich weltweit ein Geisterfahrer. Auch der Übergang zu neuen Technologien und der globale Wandel hin zu nachhaltigeren Wirtschaftsmodellen stellen große Herausforderungen dar. VW hat zu hohe Kosten und hat aus meiner Sicht zu einseitig auf die E-Autos gesetzt. Die Asiaten können das viel günstiger, zu attraktiveren Preisen. Und Innovation können die Mitbewerber auch. Deutschland ist im Innovationsranking abgerutscht.
Die „fetten Jahre“ der deutschen Industrie sind nicht zwingend vorbei – jedoch braucht es dringend Reformen, die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit gezielt stärken, etwa durch Entlastung bei Energie- und Bürokratiekosten, damit Deutschland auch in Zukunft seine wirtschaftliche Stärke behaupten kann.
Politikwissenschaftler sagen: Populismus greift weltweit (wieder) um sich und wird durch die Logiken der sozialen Medien noch verstärkt. Wie bewerten Sie dies? Wie populistisch ist Ihre Partei?
Steffen Große: Wir sehen, dass Populismus auch durch die Dynamik der sozialen Medien oft verstärkt wird, was vor allem daran liegt, dass einfache Botschaften dort eine größere Reichweite und Resonanz finden als differenzierte und komplexe Erklärungen. Soziale Medien bieten jedoch auch die Chance, direkt mit den Bürgerinnen und Bürgern in Austausch zu treten und ihre Anliegen unmittelbar wahrzunehmen. Populär ist, was das Volk in einer bestimmten Breite gut und richtig findet. Darum sollte man sich bemühen. Querdenken schafft neue Ansätze und Ideen, insofern brauchen wir mehr Querdenker, neue Lösungen für die Vielzahl an Problemen. Die Politik und manche Medien machen es sich einfach, Mitbewerber abzuqualifizieren, indem man sie in eine Ecke stellt oder gar brandmarkt.
Unsere Partei setzt bewusst auf eine transparente und sachliche Kommunikation, bei der wir Problemlösungen in den Vordergrund stellen. Statt uns auf platte Parolen oder einfache Antworten zu verlassen, möchten wir einen offenen und ehrlichen Dialog fördern und zugleich realistische Perspektiven bieten. Für uns bedeutet dies, den Menschen klar und deutlich die Herausforderungen unserer Zeit nahezubringen, ohne dabei deren Komplexität zu reduzieren. Wir wollen das Vertrauen der Bürger durch konkrete Ergebnisse und eine pragmatische Politik gewinnen – nicht durch populistische Rhetorik.
Können Sie abschließend in einem Satz sagen, warum es sich lohnt, bei der kommenden Bundestagswahl das „Bündnis Deutschland“ zu wählen?
Steffen Große: Es lohnt sich, BÜNDNIS DEUTSCHLAND zu wählen, weil wir für eine pragmatische, bürgernahe Politik stehen, die echte Lösungen für die Herausforderungen von heute bietet und dabei die Zukunft und das Wohlstandsniveau kommender Generationen fest im Blick behält. Die alten Parteien werden ihre eigenen Fehler der Vergangenheit nicht korrigieren. Das können nur neue politische Kräfte.
Lieber Herr Große, herzlichen Dank für das Gespräch!
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