Rente mit 70: Macht die Politik ernst?

Rente mit 70Eine Heraufsetzung des Rentenalters ist zumindest für die nächsten Jahre anscheinend nicht zu erwarten: Wer dem, was die deutschen Politiker im Wahlkampf und danach verlauten ließen, Glauben schenkt, muss keine Erhöhung des Rentenalters befürchten.

Rente mit 70: Keine unmittelbare Heraufsetzung des Rentenalters absehbar

Allgemein machen die Vertreter der Parteien nach Möglichkeit einen großen Bogen um dieses heikle Thema. So war dazu in letzter Zeit wenig zu hören – bereits während des Bundestagswahlkampfes im vergangenen Jahr äußerten sich nur wenige Politiker zu dem brisanten Vorschlag, das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre zu erhöhen. Der SPD-Vorsitzende und –Spitzenkandidat Martin Schulz lehnte eine Heraufsetzung des Rentenalters kategorisch ab.

Die Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte sich keine Blöße geben und schloss sich dieser Meinung schnell an. Ebenso gehört der renommierte CSU-Politiker und bayerische Innenminister Joachim Herrmann zu den erklärten Gegnern eines späteren Renteneintrittsalters. Er wird nicht müde zu betonen, dass eine diesbezügliche Änderung überhaupt nicht ansteht. Christian Lindner, der als FDP Vorsitzender der Wirtschaft besonders nahesteht, vertritt die Auffassung, dass eine Flexibilisierung des Rentenbeginns die beste Lösung darstellt. Seiner Meinung nach solle jeder, der das 60. Lebensjahr erreicht hat, frei entscheiden, wie lange er noch arbeiten möchte – selbstverständlich hat diese Entscheidung dann auch Auswirkungen auf die Höhe des Rentenniveaus.

Doch mit Wolfgang Schäuble, dem langjährigen Bundesfinanzminister, gibt es zumindest eine warnende Stimme, die sich gegen Denkverbote beim Renteneintrittsalter ausspricht. Er sieht einen logischen Zusammenhang zwischen steigender Lebenserwartung und Anhebung des Renteneintrittsalters. Auch Jens Spahn, Mitglied des CDU Präsidiums und junger Hoffnungsträger seiner Partei, sprach sich für derartige Überlegungen aus.

Demographische Tatsachen sprechen gegen eine Beibehaltung der Rente mit 67

Rente mit 70Es ist also festzustellen, dass viele Politiker der etablierten Parteien eine Erhöhung des Rentenalters auf 70 Jahre ablehnen – ganz anders sehen dagegen führende deutsche Ökonomen durchaus Handlungsbedarf. So spricht sich zum Beispiel der Chef des renommierten Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, dafür aus, das Renteneintrittsalter heraufzusetzen. Die gleiche Auffassung vertritt sein Kollege, Marcel Fratzscher (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung). Sie halten eine derartige Maßnahme für unverzichtbar, um das deutsche Rentensystem trotz der in den letzten Jahrzehnten stark gewachsenen Lebenserwartung stabil zu halten.

So können Männer, die heute 65 Jahre alt werden, damit rechnen, im Durchschnitt noch weitere 18 Jahre zu leben, vor fünf Jahrzehnten lag dieser Wert bei lediglich zwölf Jahren. Da Frauen ein noch höheres Lebensalter erreichen, beträgt die durchschnittliche Rentenbezugsdauer heute 20 Jahre mit steigender Tendenz. Hinzu kommt der beträchtliche Geburtenrückgang, der ebenfalls dazu führt, dass im umlagefinanzierten Rentensystem eine stetig geringere Anzahl an Beitragszahlern für eine kontinuierliche wachsende Zahl an Rentnern aufkommen muss. Spätestens ab dem Jahre 2030 ist eine Erhöhung des Rentenalters nach Ansicht der Fachleute wohl unausweichlich.

Ein vernünftiger Kompromissvorschlag

Statt die Rente mit 70 auf einen Schlag einzuführen, was mit Sicherheit massive Proteste der Bevölkerung hervorrufen würde, könnten die Verantwortlichen, sich auch für eine andere Regelung entscheiden: Wie von Experten häufig vorgeschlagen, scheint es sinnvoll, das Renteneintrittsalter von der durchschnittlichen Lebenserwartung abhängig zu machen. Durch eine automatische Koppelung kommt es zu einer Anhebung des Rentenalters, sobald die Lebenserwartung steigt. Dabei ist auch eine Absenkung für den Fall denkbar, dass die Durchschnittslebenserwartung abnimmt.

Der Ausblick

Aufgrund der schwierigen Machtverhältnisse und der noch problematischeren Regierungsbildung ist eher nicht davon auszugehen, dass die nächste Bundesregierung das heiße Eisen Rente mit 70 anfassen und sich die Hände daran verbrennen wird. Doch aufgeschoben heißt auch hier nicht aufgehoben: Eine Reform ist mittel- bis langfristig unumgänglich und muss dem Wahlvolk näher gebracht werden. Dabei würde ein Auslaufen der gegenwärtigen Hochkonjunktur den Druck noch verschärfen, indem sich die Rentenkasse zunehmend Engpässen gegenübersehen würde. Aus diesem Grund erscheint es durchaus denkbar, dass eine Erhöhung des Rentenalters im nächsten Bundestagswahlkampf (vorausgesetzt er findet in drei Jahren und nicht 2018 statt) eine wichtige Rolle spielen wird.

Bildquelle: beeboys & zitze – Fotolia


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Die Kommentare und Meinungen unserer Leser (Leserbriefe)

  1. Anonymous kommentierte am 15. September 2019 at 9:45

    Wenn der Mensch Anerkennung für seine Arbeit erfährt, sowohl finanziell als auch sozial,

    will heißen: der Mensch erhält nicht ständig einen neuen Zeitarbeitsvertrag oder ist nicht langfristig sogar über eine Zeitarbeitsfirma beschäftigt, wird nicht mit zu leistenden unbezahlten Überstunden überschüttet und ist nicht einem zu hohen Druck während der Arbeit ausgesetzt, dann wird Arbeit auch wieder attraktiv werden…

    Hier sind also auch die Arbeitgeber gefragt!!!!

  2. Anonymous kommentierte am 19. Juli 2018 at 11:50

    Mag ja sein, dass unsere Lebenserwartung steigt, aber steigt damit gleichzeitig auch die Belastbarkeit und die Fähigkeit länger körperlich zu arbeiten? Darf man einfach so davon ausgehen, dass jemand einen Job bis 70 -und irgendwann noch länger- ausführen kann, nur weil man ihm unterstellt, 85 Jahre alt oder älter werden zu können?
    Auch wird wieder die rückläufige Geburtenrate verantwortlich gemacht. Sind hingegen jemals unsere ganzen Hartz IV Empfänger in den Verdacht geraten, für die immer leerer werdende Rentenkasse mitverantwortlich zu sein? Sie erhalten Geld von der arbeitenden Bevölkerung, tragen aber selbst nichts zur Rente ihrer Vorfahren bei. Lasst uns weniger in die Sozialversicherung und dafür mehr in die Rentenversicherung einzahlen, dann müssen die Arbeitenden nicht eines Tages mit dem Sarg von ihrem Arbeitsplatz geholt werden. Das wird nämlich irgendwann die Konsequenz sein: arbeiten bis man stirbt.
    Gebt lieber den jungen Frauen und Männern den Anreiz, einen Job zu bewältigen, anstatt Kinder zu bekommen und diese und sich auf Staatskosten versorgen zu lassen. [Schließlich nützen Kinder der Rentenkasse nur dann, wenn sie später auch darin einzahlen, was ihnen aber vorgelebt werden sollte.] Wenn aber –wie vor wenigen Wochen bei Akte berichtet- die alleinerziehende HartzIV- Empfängerin mit zwei Kindern (1 und 3, beide in Betreuungseinrichtungen) mehr Geld täglich pro Person zur Verfügung hat, als eine alleinerziehende 30 Wochenstunden arbeitende Mutter von 5 Kindern, die die Rentenkasse und die andere Mutter noch mitunterstützt, dann ist das der falsche Ansatz!

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