Depressionen im Alter – wie Betroffene damit umgehen können

Depression im AlterDepressionen sind im Alter eine so häufige Erkrankung, dass sich aufseiten der Fachleute dafür der eigenständige Begriff der „Altersdepression“ etabliert hat. Laut statistischen Auswertungen des Robert-Koch-Institutes leiden rund 7 Prozent der 60 bis 69-Jährigen und 6 Prozent der 70- bis 79-Jährigen unter depressiven Erkrankungen. Suizide treten insbesondere bei älteren Männern gehäuft auf. Die Gründe für die negativen Stimmungsveränderungen fallen differenziert aus – allerdings sollte das Krankheitsbild in jedem Fall behandelt werden. Die Ursachen und Therapiemöglichkeiten beleuchtet der folgende Artikel.

Mögliche Ursachen

Wenn im Seniorenalter Stimmungsveränderungen auftreten, können dem Phänomen sowohl körperliche als auch seelische Ursachen zugrunde liegen. Die folgenden Faktoren treten dabei isoliert oder in Kombinationen auf:

1. Psychosoziale Ursachen

Nach dem aktiven Berufsleben beginnt ein Lebensabschnitt mit veränderten Inhalten und ungewohnten sozialen Rollen. Nicht allen Menschen fällt es leicht, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen und dabei ihr emotionales Gleichgewicht zu bewahren:

  • Ende der Berufstätigkeit: Wer von einem auf den anderen Tag Rentner ist, verliert das Gefühl der Selbstwirksamkeit und des Gebrauchtwerdens. Zudem fällt zusätzlich zum sozialen Ansehen auch die finanzielle Anerkennung der eigenen Tätigkeit weg. Das soziale Umfeld aus bekannten Kollegen, Kunden oder Geschäftspartnern löst sich auf und hinterlässt zunächst ein Vakuum, das neu gefüllt werden will.
  • Tod von Familienmitgliedern oder Bekannten: Je älter Menschen werden, desto mehr Verluste von nahestehenden Personen müssen sie wahrscheinlich verkraften. Der Tod des Ehepartners bringt nicht nur den gewohnten Alltag aus der Bahn, sondern macht dem Hinterbliebenen auch die eigene Endlichkeit schmerzhaft bewusst. Plötzlich alleinstehend, kämpfen viele Senioren mit dem Gefühl der Sinnlosigkeit und dem Verlust der Alltagsstruktur.
  • Einsamkeit: Nicht nur der Tod von Familienmitgliedern und alten Freunden lässt Senioren einsam zurück. Den Kontakt zu halten, wenn man selbst oder die nahestehenden Menschen in ein Pflegeheim umziehen, fällt vielen schwer. Reger Austausch mit den jüngeren Generationen findet heutzutage nur in wenigen Familien statt und nur dann, wenn eine räumliche Nähe zu den Kindern und Enkeln besteht. Neue Freundschaften in der gleichen Altersgruppe oder mit jüngeren Menschen zu schließen, bedeutet für Senioren häufig eine unüberwindbare Hürde. Projekte wie „Großeltern auf Zeit“ [1] können beim Knüpfen von neuen Kontakten behilflich sein.
  • Schwindende Autonomie: Schwerhörigkeit, Gehbehinderungen, Inkontinenz sowie Seh- und Hörschwächen schränken Senioren in ihrer Selbstbestimmung und Unabhängigkeit ein. Zuweilen kann der Alltag in den eigenen vier Wänden nicht mehr bewältigt werden – ein Umzug in ein Seniorenheim bietet die einzige Lösung. Viele ältere Menschen bewerten diesen Schritt emotional als Abstieg und leiden unter dem Verlust ihres gewohnten Umfeldes.
  • Altersarmut: Der Wechsel vom Beruf in die Rente stellt nicht nur einen sozialen Abstieg dar, sondern bedeutet für den Großteil der Rentner deutliche finanzielle Einbußen. Häufig kann der gewohnte Lebensstandard nicht mehr gehalten werden; zuweilen müssen gar die eigenen Kinder ihre alternden Eltern finanziell unterstützen. Neben den Schamgefühlen, die mit finanzieller Not verbunden sind, fördert dieser Zustand auch soziale Isolation, Suchtkrankheiten und Depressionen.

2. Körperliche Ursachen

Bei der Entwicklung von Depressionen sollte die veränderte Physiologie älterer Menschen Berücksichtigung finden. Viele Beschwerdebilder bringen das Risiko einer negativen Stimmungsveränderung mit sich und sollten daher von medizinischer Seite sowie vonseiten der Angehörigen beobachtet werden:

  • Schlaganfälle: Erleidet das Gehirn bei einem Schlaganfall irreversible Schäden, erklären sich anschließende Stimmungsveränderungen physiologisch. Dennoch zeigen 75 Prozent aller Schlaganfallpatienten depressive Zustände, die nicht ausschließlich auf die körperlichen Beeinträchtigungen zurückzuführen sind.
  • Multimorbide Krankheitsbilder: Im Alter häufen sich chronische Krankheiten, die mit langfristigen Schmerzzuständen einhergehen. Demenz, Parkinson und Krebs erhöhen das Risiko einer Depressionserkrankung erfahrungsgemäß um 20 bis 50 Prozent.
  • Schlafstörungen: Im Alter verkürzen sich die Schlafphasen, da der Körper weniger Melatonin bildet. Das Einschlafen fällt Senioren darum schwerer; viele leiden unter schwerwiegenden Schlafstörungen. Auch die Atemstörungen während der Nacht, die sogenannte Schlaf-Apnoe, verstärkt sich im Alter und führt vermehrt zu Gedächtnisstörungen, Tagesmüdigkeit, Konzentrations- und Stimmungsstörungen. Obgleich der Mechanismus noch nicht vollständig erforscht wurde, steht fest: Depressionen und Schlafstörungen stehen in engem Zusammenhang – immerhin können 90 Prozent der depressiven Senioren nicht mehr durchschlafen und leiden unter morgendlichem Früherwachen.
  • Medikamentenmissbrauch: Infolge chronischer Krankheiten und Schlafstörungen verordnen Ärzte Senioren häufig Beruhigungsmittel und Schmerzmedikamente. Ein Missbrauch von Opiaten und Benzodiazepinen steigert jedoch deutlich das Depressionsrisiko.

Was lässt sich dagegen tun?

Um Depressionen zu begegnen, können Senioren sowohl professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, als auch selbst aktiv werden:

  • Psychotherapie: Um sich auf veränderte Lebensumstände einzustellen und die eigenen gedanklichen Bewertungen zu kontrollieren, bietet sich die kognitive Verhaltenstherapie [2] an. Hier steht das Bewältigen alltäglicher Herausforderungen im Zentrum, für das Patient und Therapeut gemeinsam praktische Aufgaben erarbeiten. Studien zeigen, dass mithilfe einer Psychotherapie bei Depressionen gute Heilungserfolge erzielt werden können. Allerdings ist der Anteil der über 60-Jährigen an den Therapiepatienten hierzulande mit 6 Prozent sehr gering.
  • Medikamentöse Therapie: Antidepressiva verschreiben Mediziner bei mittelschweren bis schweren Depressionen zumeist, um einen stationären Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik oder eine ambulante Psychotherapie in ihrer Wirkung zu unterstützen. Die neue Generation von Medikamenten, z.B. Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI), verursacht dabei wenige Nebenwirkungen und kann in Präparat und Dosierung individuell an den Patienten angepasst werden. Gerade am Anfang der Behandlung sollte der Patient allerdings unter engmaschiger ärztlicher Beobachtung stehen, da innerhalb der ersten Wochen statistisch ein erhöhtes Suizidrisiko besteht.
  • Anti-Stress-Maßnahmen: Eine Stütze für die Emotionen finden Senioren in Entspannungsübungen und Bewegungsprogrammen. Yoga, autogenes Training, progressive Muskelentspannung und Meditation helfen, sich wohler zu fühlen und seine eigene Mitte wiederzufinden. In speziellen Kursen für Senioren findet man darüber hinaus Gleichgesinnte und stärkt sein soziales Umfeld [3]. Dasselbe gilt für Kurse im regionalen Sportverein oder im Fitnessstudio, wenn sie auf die Bedürfnisse älterer Menschen optimal zugeschnitten sind.

Tipps zur Vorsorge

Diese Faktoren des Lebens helfen dabei, das Depressionsrisiko zumindest statistisch zu verringern:

  • Starkes Sozialleben: Wer viele Freundschaften pflegt und in ein generationenübergreifendes Sozialumfeld eingebunden ist, muss sich im Alter nicht vor Einsamkeit fürchten. Selbst wenn langjährige Kontakte zerbrechen, sollten Senioren stets aufgeschlossen und aktiv bleiben.
  • Haustiere: Studien zeigen, dass Haustiere ihre Besitzer nicht nur vor Depressionen, sondern auch vor körperlichen Gebrechen schützen. Das Gassigehen mit dem Hund und das Füttern der Katze geben dem Alltag Struktur, so wie die emotionale Bindung das Seelenleben stärkt. Darüber hinaus bietet Tiere ein ideales Thema zum Kennenlernen und einen unverfänglichen Smalltalk. In vielen Seniorenheimen ist es erlaubt, seinen Vierbeiner mitzunehmen, während Personen, die nicht mehr in der Lage sind, sich um ein Tier zu kümmern, vom Besuch eines Therapiehundes profitieren können.
  • Gesundheit: Wer sich mit gesunder Ernährung, Sport und regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen um seinen Körper kümmert, mindert die Gefahr, an einer chronischen Krankheit des Herz-Kreislauf-Systems oder an Diabetes zu erkranken. Gesundheit garantiert wiederum ein möglichst langes Leben in Autonomie und ohne Schmerzen.
  • Sinnhaftigkeit nach dem Arbeitsleben: Um eine ausfüllende Tätigkeit nach der Rente sollten sich Senioren nicht erst kümmern, wenn es so weit ist. Ehrenämter, interessante Hobbys oder eine Nebentätigkeit können sich zunächst in der Freizeit etablieren und später einen größeren Raum im Leben ausfüllen.

Fazit

Die größte Herausforderung ist es im Alter meist, die depressive Erkrankung überhaupt als solche zu erkennen. Soziale Isolation oder das Aufgeben liebgewonnener Tätigkeiten tut das soziale Umfeld eines älteren Menschen oft leichtfertig als altersbedingtes Ruhebedürfnis ab. Wenn die Krankheit jedoch identifiziert wurde, gibt es gute Nachrichten: Bei Senioren häufen sich die leichteren Fälle der Depressionen und die subklinischen Varianten, bei denen nicht alle Symptome auftreten. Um die Lebensqualität zu verbessern, zeigen sich gerade in diesen Fällen Therapiemaßnahmen, Entspannungstechniken und soziale Interaktion als besonders wirksam.

Recherchequellen

  • [1] https://www.bagfa.de/aktuelles/archiv/2016/june/artikel/mitglieder-berichten-projekt-grosseltern-auf-zeit-in-bonn-freiwilligenagentur-bonn.html
  • [2] https://www.psychotherapiesuche.de/pid/therapie
  • [3] https://www.wandtattoos.de/blog/tipps/nur-kein-stress-15-tipps-zur-entspannung/</a

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Die Kommentare und Meinungen unserer Leser (Leserbriefe)

  1. Wagner G. kommentierte am 9. Juli 2018 at 18:22

    Ich habe als Betreuungskraft auf 28 Patienten aufgepasst. Es musste keiner in die Psychiatrie gebracht werden. Ich war gegen Medikamente, deshalb wurde ich ausgestellt. Bei mir waren die Bewohner vergnügt und heiter und fühlten sich echt wohl. Ich finde, dass die alten Leute zu schnell mit Medikamenten versorgt werden. Es müsste mehr Mehrgenerationenhäuser geben. Die alten, Jungen, behinderte und ausländische Leute gehören in ein gemeinsames Wohnhaus untergebracht.

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