Noch vor wenigen Jahrzehnten galt das Konzept des Mehr-Generationen-Wohnens als ideal für Familien. Großeltern konnten mit ihren Kindern und Enkelkindern gemeinsam unter einem Dach leben, was gegenseitige Unterstützung ermöglichte. Heute aber findet dieses Konzept immer seltener Anwendung. Das Ergebnis sind junge Familien, die händeringend um Unterstützung bitten und nach effektiver Hilfe suchen. Leih-Großeltern sind daher gefragt – und können das Familienleben verbessern.
Warum Leih-Großeltern so dringend gebraucht werden
Es gibt viele Gründe, die für ein Engagement als Leih-Oma oder auch Leih-Opa sprechen. Erstens sind viele sogenannte Kernfamilien, also Vater, Mutter und Kind(er) durch die geografische Entfernung zu ihrem Heimatort nicht mehr dazu in der Lage, regelmäßigen Kontakt zu den Großeltern zu pflegen. Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass sich Frauen und Männer heute immer später für die Elternschaft entscheiden und Großeltern zu diesem Zeitpunkt häufig entweder zu alt zum Betreuen der Enkel, oder nicht mehr am leben sind.
Das Familienleben konzentriert sich daher auf Eltern und Kinder. Alle Herausforderungen, die Eltern heute bewältigen müssen – die Resultate einer beschleunigten und neoliberalisierten Gesellschaft -, müssen sie in vielen Fällen alleine managen. Gerade die steigende Rate berufstätiger Mütter und die hohe Anzahl an Zweiverdiener-Familien machen Kinderbetreuung so nötig wie nie. Insbesondere dann, wenn finanzielle Gründe eine Berufstätigkeit unabdingbar machen, sind Familien auf ein stabiles Betreuungsangebot angewiesen. Dieses Angebot jedoch können nicht alle Gemeinden in Deutschland gewährleisten. Die Folgen sind drohende Armut, steigender Stress und häufig auch Streit innerhalb der Familie. Auch eine Umfrage [1] zeigt, in welcher Form „echte“ Großeltern ihre Kinder und Enkelkinder heute unterstützen. 53 Prozent der Befragten gaben an, die Betreuung zu übernehmen, wenn Eltern nicht da sind und 37 Prozent betreuten die Enkel auch, um ihren Eltern etwas mehr Freiraum zu schenken. Sind jedoch keine Großeltern verfügbar, ist das nicht möglich.
Daher spielen Leih-Großeltern nicht nur in finanzieller Hinsicht eine wichtige Rolle, sondern können auch die Beziehung der Eltern zueinander verbessern. Wer mehr Zeit für sich selbst hat, wird in seiner Partnerschaft sowohl glücklicher als auch aufmerksamer bzw. achtsamer agieren können. Sinkender Alltagsstress entlastet Eltern und ermöglicht sogenannte Qualitätszeit mit dem Partner. So könnte das regelmäßige Engagement von Leih-Großeltern langfristig betrachtet sogar vor Scheidungen schützen.
Kinder profitieren von starken Ansprechpartnern
Für Kinder ist der regelmäßige Kontakt zu Leih-Großeltern sehr wertvoll. Sie erfahren hier, dass es verschiedene Meinungen gibt und können sich im Umgang mit wechselnden Betreuungspersonen üben. Der entscheidende Punkt dabei ist, dass Senioren einer anderen Generation angehören und folglich zusätzliche Werte, Ideen und Interessen in das Familienleben integrieren. In gemeinsamen Gesprächen mit den Leih-Großeltern über das Leben früher, Religion oder auch Traditionen lernen Kinder viel über die Gesellschaft und ihre Entwicklung. Schon die Kleinsten finden es spannend, wenn „Oma“ erzählt, wie sie als Kind in der Schule lernen musste und worauf es im Alltagsleben ankommt. Auch tagblatt.de berichtet in einem Interview [2] mit einer promovierten Erziehungswissenschaftlerin darüber, wie wertvoll Großeltern für Kinder sind. Diese positiven Aspekte lassen sich selbstverständlich auch auf Leih-Großeltern übertragen.
Soziale Fähigkeiten also werden im Kontakt mit Leih-Großeltern geschult. Und nicht nur das: Kinder, die über ein stabiles, soziales Netzwerke verfügen, fühlen sich sicherer und begegnen auch Konflikten ausgeglichener. Leih-Großeltern können hier als zusätzliche Stütze fungieren, die im Alltag jederzeit zur Verfügung steht. Das gilt auch für Eltern, die sich in Erziehungsfragen mit den Senioren austauschen und andere Sichtweisen kennenlernen können. Entscheidend dabei ist, dass sich auch Leih-Großeltern nicht in die Erziehung einmischen. Das nämlich könnte zu Konflikten führen. Eigenes Wissen weiterzugeben und Eltern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, ist jedoch ein sehr positiver Aspekt, von dem auch die Kinder profitieren können.
Zusätzlich erfahren Kinder durch Leih-Großeltern eine Form des Familienlebens, die andernfalls nicht möglich wäre. Bei gemeinsamen Feiern wie Geburtstagen oder auch Festen wie Weihnachten und Ostern entwickelt sich aus der Zusammenarbeit von Eltern und Leih-Großeltern oftmals ein sehr liebevolles, resonantes Ganzes, welches die Kindheit um wertvolle Erfahrungen reicher macht.
Leih-Oma oder Leih-Opa werden
Wer sich selbst als Leih-Oma oder Leih-Opa einbringen möchte, findet hierzu in vielen Gemeinden Gelegenheit. Immer öfter werden Vereine gegründet, die nach engagierten Senioren suchen und diese an Familien vermitteln. Hier gestaltet sich die Arbeit meist auf ehrenamtlicher Basis, was sich besonders für Senioren anbietet, die keine finanziellen Schwierigkeiten meistern müssen und genügend Zeit für den Umgang mit Enkeln und Eltern haben. Ein schönes Beispiel finden Interessierte unter mit-und-fuer.de [3].
Findet sich in der eigenen Umgebung jedoch kein solches Angebot, oder soll sich die Betreuung von Kindern für Senioren auch finanziell positiv gestalten, ist Eigeninitiative gefragt. Am leichtesten lässt sich der Kontakt zu Familien über das Internet herstellen. So können sich Senioren beispielsweise beim Portal Yoopies.de [4] anmelden und nach einer entsprechenden Stelle suchen. Auch das Anlegen eines Profiles, über das suchende Familien auf Leih-Großeltern aufmerksam werden, ist denkbar. Hier übernimmt der Betreiber des Portals alle administrativen Aufgaben rund um die Bezahlung der Betreuungsleistung, weswegen sich „Großeltern“ und Familien ganz auf die Gestaltung einer guten Beziehung konzentrieren können. Diese Herangehensweise über ein Unternehmen kann als Kommerzialisierung eines genuin gesellschaftlichen Bereiches betrachtet werden – oder aber als eine Konsequenz des gesellschaftlichen Wandels. Im Einzelfall wird ein Kind profitieren können.
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Bildquellen
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Informationsquellen
[1] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/163493/umfrage/art-der-unterstuetzung-bei-der-familienarbeit-durch-grosseltern/
[2] https://www.tagblatt.de/Nachrichten/Eine-Paedagogik-Professorin-haelt-die-Beziehung-zwischen-Grosseltern-und-Enkeln-fuer-enorm-wichtig-195065.html
[3] https://www.mit-und-fuer.de/verein/43-leihgrosseltern
[4] https://yoopies.de/
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