Interview zu den Sozialwahlen 2023 mit Ulrich Silberbach, DBB – Beamtenbund und Tarifunion

Der DBB ist mit über einer Millionen Mitgliedern ein einflussreicher gewerkschaftlicher Dachverband, der auch bei Sozialwahlen 2023 antritt. Der Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach hat in diesem Rahmen zu unseren Fragen Stellung genommen.

Silberbach, DDB, Sozialwahlen 2023Zur Person: Ulrich Silberbach ist seit 2017 Bundesvorsitzender des dbb beamtenbund und tarifunion, der Spitzenorganisation der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes und der privatisierten Bereiche mit mehr als 1,3 Millionen Mitgliedern – Beamtinnen, Beamte und Arbeitnehmende gleichermaßen. Ulrich Silberbach ist gelernter Verwaltungsfachangestellter und arbeitete vor seinem gewerkschaftlichen Hauptamt, dass er vor dem dbb Bundesvorsitz für die komba gewerkschaft als deren Bundesvorsitzender bekleidete, im Kölner Ordnungsamt. (Bildquelle: DBB, Marco Urban).

1.) Redaktion: Werter Herr Silberbach, im Mai 2023 kommt es zu den nächsten Sozialwahlen. Warum sollten die Wahlberechtigten dabei Ihre Liste wählen? Für welche Positionen machen Sie sich besonders stark?

Ulrich Silberbach: Die Wahlberechtigten sollten die dbb Liste wählen, weil unsere Kandidatinnen und Kandidaten sich nicht nur im Sozialrecht auskennen, sondern auch die Bedürfnisse der Versicherten, Rentnerinnen und Rentner verstehen. Die Kandidatinnen und Kandidaten des dbb sind Fachleute im Sozialversicherungsrecht und kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Sie arbeiten zum Beispiel bei der Justiz, Straßenbaubehörden oder Krankenkassen, sind aktiv im Berufsleben oder bereits Rentenbeziehende und können durch ihre Verschiedenheit die Interessen der Wähler aus unterschiedlichsten Perspektiven vertreten. Diese Diversität zeichnet die Liste des dbb aus. Es ist dem dbb ein Anliegen, dass die Rente den Rentnerinnen und Rentnern ein sicheres und auskömmliches Leben ermöglicht. Zudem tritt der dbb dafür ein, die zu wählende Selbstverwaltung zu stärken, damit die Versicherten und Rentenbeziehenden weiterhin über die sie betreffenden Belange entscheiden können.

2.) Redaktion: Der demografische Wandel in Deutschland schiebt die Alterspyramide unweigerlich in ein Missverhältnis und der Renteneintritt der „Boomer“-Generation beginnt. Muss das bisherige Rentenalter darum angehoben werden, wie es aktuell wieder diskutiert wird? Lassen sich Generationenvertrag und Umlageverfahren so noch aufrechterhalten? Brauchen wir eine Rentenversicherung für alle (also auch unter Beteiligung von Selbstständigen, Beamten etc.)?

Ulrich Silberbach: Wir sprechen uns gegen eine weitere Anhebung der Altersgrenze aus. Stattdessen muss der Staat über wachsende Bundeszuschüsse der allgemeinen Sicherungsfunktion dieser Zuschüsse besser gerecht werden. Auch moderat steigende Beiträge können kein Tabu sein, wenn die Leistungen der Rente stimmen. Die Einbeziehung von Selbständigen in die gesetzliche Rentenversicherung ist vor dem Hintergrund bestehender Schutzlücken in diesem Bereich durchaus zu diskutieren. Bei Beamten hingegen bestehen keine Schutzlücken; das Beamtenversorgungssystem ist zudem durch Elemente der Kapitaldeckung generationengerecht aufgestellt. Auch die durch eine Einbeziehung der Beamten erhofften positiven Effekte für die Rentenversicherung verkehren sich mittel- und langfristig in ihr Gegenteil: Den zunächst erbrachten zusätzlichen Beiträgen in die Rente stehen nämlich nach Abschluss des Erwerbslebens zusätzliche Rentenansprüche gegenüber. Das ist das Gegenteil von Nachhaltigkeit.

3.) Redaktion: Altersarmut wird gerade in Zeiten einer akuten Wirtschafts- und Energiekrise für viele Menschen eine ernstzunehmende Bedrohung. Welche rentenpolitische Reaktion erachten Sie angesichts dessen als angemessen?

Ulrich Silberbach: Die Rentenversicherung muss gewährleisten, dass auch Geringverdiener mit langjähriger Erwerbsbiographie Rentenansprüche oberhalb des Grundsicherungsniveaus erwerben. (Lebens)Leistung muss sich lohnen. Dies ist essentiell für die dauerhafte Akzeptanz der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Grundrente war insoweit ein – allerdings noch nicht ausreichender – Schritt zur besseren rentenrechtlichen Absicherung von langjährigen Geringverdienenden. In der jetzigen Situation hilft das aber natürlich nicht. Der dbb hat sich angesichts der hohen Inflation für die Einbeziehung auch der Rentnerinnen und Rentner in die staatliche Energiepreispauschale von 300 Euro eingesetzt und dies auch durchsetzen können. Die Rentenbeziehenden mit ihren durchschnittlich geringeren Einkommen dürfen wirtschaftlich nicht abgehängt werden.

4.) Redaktion: Wo sehen Sie die größten Handlungsbedarfe im Bereich Rehabilitation?

Ulrich Silberbach: Wichtig sind uns insbesondere eine umfassende Information der Versicherten über die vielfältigen Reha-Möglichkeiten, denn tatsächlich kann die zielgerichtete Nutzung der verschiedenen Rehabilitationsangebote zu einer effektiven Verbesserung oder Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit beitragen und damit das Wohlbefinden der/des jeweiligen Versicherten ebenso steigern wie unnötigen Rentenbezug verhindern. Aktuell ist das gerade vor dem Hintergrund von Long-/Post-Covid wichtiger denn je. Und den Dschungel von beruflicher, medizinischer und sozialer Reha durchdringt niemand so ohne weiteres.

5.) Redaktion: Ihr DBB stand bereits zuvor, z. B. bei den Sozialwahlen 2017, zur Wahl. Haben Sie Beispiele, welche inhaltlichen Aspekte Ihre Vertreter*innen seither beeinflusst haben?

Ulrich Silberbach: Der dbb konnte aufgrund des vergangenen guten Wahlergebnisses rund 100 Versichertenberaterinnen und Versichertenberater benennen. Sie stehen den Versicherten, Rentnerinnen und Rentnern ehrenamtlich bei Fragen rund um die Rentenversicherung zur Seite. Sie unterstützen und beraten zum Beispiel bei der Beantragung von Rentenleistungen und stellen eine wichtige Verbindung zwischen Versicherten und Selbstverwaltung dar. Sie rückkoppeln natürlich auch ihre Erfahrungen, zeigen auf, wo es nicht so gut läuft, welche Regelung möglicherweise an den Bedürfnissen der Versicherten und Rentenbeziehenden vorbei geht. Der dbb nimmt dies entsprechend in seine politische Arbeit auf und versucht, Verbesserungen im Sinne der Versicherten und Rentenbeziehenden zu erreichen.

6.) Redaktion: An den Sozialwahlen wird kritisiert, dass die Nominierung der Kandidat*innen und die Zusammensetzung der Listen für die Wählenden intransparent ist. Wie bewerten Sie das?

Ulrich Silberbach: Diese Kritik war möglicherweise bei den vergangenen Sozialwahlen berechtigt. Durch Gesetzesänderungen wurde dem aber ein Riegel vorgeschoben. Die Listen haben nunmehr die Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten offen zu legen. Jetzt kann im Internet nachgelesen werden, nach welchen Kriterien die Kandidatinnen und Kandidaten ausgewählt wurden. Der dbb begrüßt diese Offenlegungsverpflichtung ausdrücklich. Die Auswahl unserer Kandidatinnen und Kandidaten erfolgte folgendermaßen: Zunächst wurden alle Mitglieder aufgefordert zu kandidieren, wenn sie Interesse haben und sie die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Kandidatur erfüllen. Nach bestimmten Richtlinien, insbesondere Fachwissen und Kompetenzen, wurden sodann die Kandidatinnen und Kandidaten ausgewählt und diese Auswahl vom dbb Bundeshauptvorstand, unserem ranghöchsten Gremium nach dem Gewerkschaftstag, beschlossen.

7.) Redaktion: Warum sollten möglichst viele Menschen an den Sozialwahlen 2023 teilnehmen?

Ulrich Silberbach: Durch die Wahl erhalten die Versicherten, Rentnerinnen und Rentner die Möglichkeit, über ihre Angelegenheiten in der Rentenversicherung mitzubestimmen. Sie Wählen „das Parlament“ der Rentenversicherung, die Vertreterversammlung. Und was in den Vertreterversammlungen entschieden wird, ist von erheblicher Tragweite. Dort wird nicht nur über den Haushalt abgestimmt, der bei der Deutschen Rentenversicherung Bund rund 160 Milliarden Euro beträgt, sondern auch, welche Präventions- oder Reha-Maßnahmen gefördert oder von der Rentenversicherung übernommen werden. Die Vertreterversammlung entscheidet auch über die Zusammensetzung der ehrenamtlich besetzten Widerspruchsausschüsse, die tätig werden, wenn ein Versicherter, eine Rentnerin oder ein Rentner mit einer Entscheidung der Rentenversicherung nicht einverstanden ist. Überlassen Sie es nicht anderen zu bestimmen, welchen Weg Ihre Rentenversicherung einschlägt. Wer an dieser Schlüsselstelle einen verlässlichen Sozialpartner will, wählt die Liste des dbb!

Redaktion: Herr Silberbach, haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch.

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