Rentenpaket der Bundesregierung: Verbesserungen für Geringverdiener, Mütter und Erwerbsminderungsrentner

Rentenpaket 2019

Seit 1. Januar 2019 gilt das neue Rentenpaket der Bundesregierung. In diesem Rahmen sollen auch Geringverdiener entlastet werden, wobei die Gesetzänderungen diesbezüglich seit dem 1. Juli 2019 gelten. Das Gesetzespaket war und ist stark umstritten. Was ist davon aber tatsächlich zu halten? Hier einige Fakten und Anmerkungen.

Profitierende Personenkreise

Es sind drei Bevölkerungsgruppen, die von dem Rentenpaket profitieren: Mütter, die vor 1992 Kinder geboren und erzogen haben, Bezieher von Erwerbminderungsrente und Geringverdiener. Zudem hat der Gesetzgeber garantiert, dass das Rentenniveau bis 2025 bei 48 Prozent stabil bleibt und die Beitragssätze nicht über 20 Prozent steigen.
Bislang waren Mütter, die vor 1992 Kinder geboren und erzogen haben, gegenüber Müttern, die nach 1992 Kinder erzogen haben, deutlich benachteiligt. Diese Benachteiligung wurde nun etwas ausgeglichen, denn Mütter mit vor 1992 geborenen Kindern erhalten pro Kind einen halben Rentenpunkt mehr. Rentenpunkte aber stehen für bestimmte finanzielle Sätze. Je mehr Rentenpunkte, desto mehr Mütterrente.
Zudem erfahren Geringverdiener nun Erleichterungen. Die Gleitzone von Midijobs wurde zwischen 450 EUR und 1.300 EUR (bisher: 850 EUR) ausgeweitet. Midijober, die in die Gleitzone fallen, zahlen deutlich reduzierte Sozialversicherungsbeiträge.

Eine deutliche Verbesserung gibt es für die Bezieher von Erwerbsminderungsrente. Wer ab 1. Januar 2019 eine Erwerbsminderungsrente bezieht, dessen Zurechnungszeiten werden schrittweise ausgedehnt, als hätte er/sie bis 67 gearbeitet. Begründet wurde dieser Schritt damit, dass insbesondere dieser Klientel Altersarmut droht und die Erwerbsminderungsrenten oft genug besorgniserregend niedrig seien.

Insgesamt belaufen sich die geschätzten Kosten für das neue Rentenpaket auf 31 Milliarden EUR, wovon 19 Milliarden der Steuerzahler und 12 Milliarden der Bund aufbringen soll. Dieser Umstand ist es auch, der dem neuen Rentenpaket Kritik einbringt.

Hubertus Heil warnt vor Altersarmut und fordert Respekt

Arbeitsminister Hubertus Heil begründete das Rentenpaket in einem Youtube-Beitrag damit, dass man vor allem dem wachsenden Problem der Altersarmut begegnen wolle und außerdem „Respekt vor der Lebensarbeitszeit“ zeigen wollen. (vgl. https://www.youtube.com/watch?v=YGKaVnzAzJY&t=577s). Er spricht deswegen von einer „Respekt-Rente“.

Kritisiert wird das Rentenpaket vor allem von Arbeitgeberverbänden sowie Industrie- und Handwerksverbänden. So kommentierte beispielsweise der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks: „Das beschlossene Rentenpaket bedeutet eine unverantwortlich schwere Hypothek für die junge Generation wie auch für künftiges Wachstum und Beschäftigung“. (vgl. Jana Taschina Wörrle, Rentenreform: Das ändert sich 2019 bei der Rente, in: Deutsche Handwerks Zeitung, https://www.deutsche-handwerks-zeitung.de/das-soll-sich-2019-bei-der-rente-aendern/150/3093/376626; Zugriff am 22.8.2019).

Kritik gibt es erwartungsgemäß auch von den neoliberalen Parteien. FDP-Chef Christian Lindner appellierte vor der Abstimmung an die Abgeordneten: Das Rentenpaket sei zu teuer und ungerecht, da nur eine Generation davon profitieren würde, und zudem wirkungslos. Kommende Generationen müssten für die jetzige Generation bezahlen. Er plädierte hingegen für „solide Finanzen“ und „Generationengerechtigkeit (vgl. https://www.liberale.de/content/lindners-appell-gegen-das-rentenpaket; Zugriff am 17.8.2019).

Das ehrgeizigste Rentenpaket seit Jahrzehnten

Nicht direkt Lob, aber doch eine gewisse Anerkennung kam unerwarteterweise von der Linken. Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender von Die Linke, kommentierte: „Die gute Nachricht lautet: Es gibt einen Minister, der arbeitet und der nicht nur Chaos verbreitet“. Es fehlten jedoch fundamentale Änderungen am bestehenden Rentenkonzept und das jetzige Rentenpaket sei insgesamt „mutlos“, so Bartsch. Die Linke fordert zum Beispiel, das Rentenniveau auf 53 Prozent zu stabilisieren und die gesetzliche Rente wieder zu stärken (vgl. https://www.youtube.com/watch?v=at1KIgnyv8M).

Fakt ist, dass es für die genannten Bevölkerungsgruppen – Geringverdiener, Bezieher von Erwerbsminderungsrente und Mütter – deutliche Verbesserungen gibt durch das Gesetzespaket. Es handelt sich in der Tat um das ehrgeizigste Rentenpaket seit Jahrzehnten. Fundamentale Durchbrüche in der Rentenmisere fehlen jedoch. Am bestehenden Konzept des dreisäuligen Modells (gesetzliche Rente – Betriebsrente – private Altersvorsorge) ändert sich nichts.

Es ist bei Arbeitsminister Hubertus Heil zwar deutlich ein guter Wille erkennbar, jedoch muss dieser natürlich den Widerstand des Koalitionspartners und auch der Neoliberalen aus den eigenen Reihen konfrontieren. Es entsteht bei dem aktuellen Rentenpaket der Bundesregierung deswegen der Eindruck, dass der Wille zur Entlastung vor allem benachteiligter Bevölkerungsgruppen durchaus vorhanden war, jedoch starke Kompromisse eingegangen werden mussten. Hubertus Heil ist übrigens auch ein Befürworter der Grundrente. Es handelt sich hierbei offensichtlich um eine Arbeitsminister, der eher diskret, aber solide und mit den besten sozialen Absichten seine Amt verrichtet, statt medial aufzufallen.

Argumentation verläuft sich im ökonomischen Diskurs

Das Argument, das Rentenpaket sei zu teuer, wie es vor allem von bestimmten Gruppen formuliert wird, steht dabei auf tönernen Füßen: Berücksichtigt werden muss, dass genug Gelder vorhanden sind, jedoch sich immer die Frage stellt, wofür finanzielle Mittel tatsächlich ausgegeben werden. Zudem gäbe es ausreichend Gelegenheiten, um die Einnahmen des Bundes zu verbessern: Erwähnt seien hier lediglich die jährlichen Milliardenverluste durch Steueroasen und Steuerschlupflöcher, die Besteuerung von Riesenvermögen, die immer wieder in der Diskussion steht, die Ausgaben für Rüstung, die Kosten für den größten Bundestag aller Zeiten oder aber – erst jüngst stark im Fokus – die unverhältnismäßigen Ausgaben für externe Berater in dreistelliger Millionenhöhe. Das finanzielle Argument ist insofern schwach. Zudem zeigt die Rentensituation in anderen Ländern, dass eine sichere gesetzliche Altersrente durchaus machbar ist, wenn der Wille dazu vorhanden ist (zum Beispiel in Österreich und Schweden). Das Rentenniveau in Deutschland hingegen ist fast lächerlich niedrig. Insofern scheint es sich bei der Auseinandersetzung um die Rente um die Auseinandersetzung von bestimmten Interessengruppen zu handeln und nicht um eine auf Fakten basierende Notwendigkeit.

Über die Autorin

BabicMarijana Babic ist Literaturwissenschaftlerin und Historikerin. Nach einigen Jahren im Verkauf hat sie sich nach Abschluss ihres Magister-Studiums 2006 als Journalistin, Texterin und Lektorin selbstständig gemacht. Schwerpunkte dabei sind Soziales, Psychologie und Psychopharmakologie. Eine neue Website befindet sich derzeit noch im Aufbau.

Marijana Babic
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E-Mail: marijana.babic@outlook.de
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Bildquelle: fotomek – Fotolia


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