Schulden bei der Krankenkasse: Bin ich trotzdem versichert?

Schulden Krankenkasse

Beitragsrückstände bei der Krankenversicherung? Vor allem viele Freiberufler und Selbstständige wie zum Beispiel Künstler oder Solo-Gewerbetreibende sehen sich durch die jüngste Krise, als einfachere Stundungen von Sozialversicherungsbeiträgen möglich waren, häufig in der Schuldenfalle sitzen. Das Bundesamt für Soziale Sicherung hat errechnet, dass sich die Rückstände 2020 auf 18,8 Milliarden Euro summiert haben, wovon gut die Hälfte auf freiwillig Versicherte wie die genannten Berufsgruppen zurückgeht. Lesen Sie hier, welche Konsequenzen Beitragsrückstände haben und was Sie dagegen tun können.

Wenn sich die Beitragsrückstände häufen

Seit 2009 gilt in Deutschland eine Versicherungspflicht. Die Gesundheitsversicherer müssen Selbstständigen und Freiberuflern seitdem die Möglichkeit bieten, als sogenannte „freiwillig Versicherte“ aufgenommen zu werden. Diese freiwillig Versicherten tragen ihre monatlichen Krankenkassenbeiträge also selbst. Genau an diesem Punkt hat es in jüngerer Zeit vermehrt Probleme gegeben. Gesetzlich gilt die Regelung, dass die Krankenkassen ab zwei Monaten Beitragsrückstand Maßnahmen ergreifen dürfen, um ihre Ansprüche geltend zu machen. Konkret bedeutet dies, dass die Leistungen der Kasse auf reine Notfallbehandlungen beschränkt werden. Es besteht dann nur noch Anspruch auf dringende, unaufschiebbare Behandlungen wie Zahnarztbesuche, akute Erkrankungen, Beseitigung akuter Schmerzzustände oder Schwangerschafts- und Geburtsfürsorge. Betroffene bekommen quartalsweise einen Schein von ihrer Kasse ausgestellt, den sie beim Arztbesuch vorlegen müssen.

Allerdings ist bei vielen privaten Krankenkassen nicht einmal dieser medizinische Basisschutz garantiert. Die Honorarzonen der privaten Kassen empfinden viele Mediziner in solchen Fällen als dermaßen schlecht, dass sie nicht unbedingt bereit sind, einen Patienten unter diesen Bedingungen zu behandeln. Dieser Missstand soll künftig durch einen einheitlichen Notfalltarif mit einem monatlichen Beitragssatz von 100 Euro beseitigt werden.

Jährlich gilt überdies bislang bei den Kassen ein Zinssatz von 60 Prozent Säumniszuschlag bei Beitragsschulden. Die Bundesregierung möchte diesen Zinssatz künftig auf 12 Prozent absenken. Die hohen Zinsen sind nämlich der Grund, warum sich Beitragsschulden bei der Krankenkasse für viele Betroffene zur Schuldenfalle entwickeln. Diese Schulden können langfristig auch per Gerichtsbeschluss vollstreckt werden, falls es zu keiner Einigung mit der Kasse kommt. Die Verjährungsfrist für die Kassen, um ihre Ansprüche geltend zu machen, beträgt vier Jahre. Es besteht zwar die Möglichkeit, dass die Kassen auf Verhandlungsbasis Schulden ganz erlassen, aber dies ist selten der Fall.

Was können Betroffene gegen eine solche Entwicklung also tun?

Maßnahmen, um Beitragsschulden zu bereinigen

Betroffene, die sich mit den monatlichen Beiträgen überfordert sehen, können zunächst versuchen, mit der Krankenkasse Ratenzahlungen zu vereinbaren. Dies muss monatlich allerdings ein Betrag sein, der die laufenden monatlichen Beiträge deckt und darüber hinaus etwas von den Schulden abträgt.

Falls Betroffene Schwierigkeiten haben, sich mit ihrer Kasse zu einigen, es absehbar ist, dass sie ihre Verbindlichkeiten langfristig nicht decken können oder generell mit finanziellen Problemen kämpfen, können sie sich an eine ehrenamtliche Schuldnerberatungsstelle wenden. Beispielsweise die Caritas oder die Diakonie bieten solche Dienste an, aber auch andere. Am besten Betroffene erkundigen sich vor Ort in ihrer Umgebung. Diese ehrenamtlichen Schuldnerberatungsstellen können helfen im Konfliktfall mit den Krankenkassen zu vermitteln und Betroffenen überdies dabei behilflich sein, einen praktischen Plan zu erstellen, um ihre Schulden im Allgemeinen abzubauen, notfalls per Privatinsolvenz. Wenn sich die Schulden summieren, geht nämlich meist auch der sachliche Überblick verloren, so dass eine neutrale Person mit fachlicher Kompetenz hier effektiver vorgehen kann.

Das Statistische Bundesamt stellt auf seiner Website einen Atlas mit sämtlichen offiziell zugelassenen Schuldnerberatungsstellen in Deutschland zur Verfügung. Ob die Beratungsstelle ihren Service kostenfrei anbietet, also gemeinnützig ist, erfragen Betroffene ebenfalls am besten vor Ort. Hier finden Sie den Link zum Schuldneratlas: https://schuldnerberatungsatlas.destatis.de/.

Je früher Betroffene dabei handeln, umso besser. Aussitzen ist in solchen Fällen keinesfalls sinnvoll, sondern macht die Probleme noch verwickelter. Leider steckt hinter solchen Schulden-Szenarien oft eine Überforderungssituation, die einen zunächst scheinbar handlungsunfähig macht. Überschuldete Menschen wissen manchmal nicht mehr ein und aus vor Sorgen, fühlen sich wie paralysiert, aber dennoch müssen sie ihren finanziellen Missstand angehen. Zudem haben Schuldnerberatungsstellen oft Wartezeiten, da jährlich in Deutschland rund 600.000 Menschen ihre Dienste in Anspruch nehmen. Bevor Sie zur Schuldnerberatungsstelle gehen, tragen sie sämtliche auffindbaren Dokumente über ihre Schuldensituation zusammen. Dann können sich die Berater umso schneller einen Überblick verschaffen.

Natürlich versuchen zwielichtige Anbieter im Internet die Überschuldung vieler Menschen in Deutschland auszunutzen. Diese Kreditangebote sind auf den ersten Blick zwar scheinbar attraktiv und locken mit dem Zusatz „ohne Schufa-Auskunft“. Doch verdeckte Wucherzinsen lassen den Schuldenberg zuletzt noch anwachsen, ebenso schwer verständliche, verklausulierte Zusatzbedingungen, euphemistische Umschreibungen und versteckte Informationen im berühmten „Kleingedruckten“. Betroffene sollten von solchen Angeboten Abstand nehmen. Günstiger ist es, mit der Hausbank zu verhandeln oder eben eine Schuldnerberatung in Anspruch zu nehmen.

Letzter Ausweg Privatinsolvenz

Schulden KrankenkassenDer Gesetzgeber räumt überschuldeten Personen als letzten Ausweg die Möglichkeit der Privatinsolvenz ein, damit Betroffene nicht dauerhaft überschuldet bleiben. Überschuldete Personen leiden psychisch und physisch, ebenso deren Kinder und das nähere soziale Umfeld. Nach einigen Jahren des „Wohlverhaltens“ besteht deswegen die Möglichkeit der generellen Schulden-Amnestie, das bedeutet Restschuldbefreiung. Das ist zunächst eine gute Nachricht, aber leider ergeben sich dadurch auch sehr unangenehme Bedingungen.

„Wohlverhalten“ im juristischen Sinne bedeutet in diesem Fall nämlich, dass man drei bis sechs Jahre lang zahlreiche Einschränkungen bis in den Privatbereich hinein hinnehmen muss. Bei Erwerbstätigen wird das Gehalt bis auf ein Existenzminimum gepfändet, um die Schulden abzubauen. Außerdem müssen Betroffene regelmäßig gegenüber einem Insolvenzverwalter Rechenschaft über ihre finanziellen Angelegenheiten ablegen und neue Schulden strikt vermeiden. Im regelmäßigen Rechenschaftsbericht sind zum Beispiel auch gut begründete Argumente vorzulegen, die eine bestimmte Anschaffung, einen Umzug oder Jobwechsel rechtfertigen. Handelt der Schuldner wissentlich oder fahrlässig entgegen diesen Bedingungen, kann dies zur Verweigerung der Restschuldbefreiung führen.

Auch Renten können theoretisch gepfändet werden, da diese wie Arbeitseinkommen betrachtet werden. Allerdings gibt es einen Pfändungsfreibetrag. Nur der Teil der Rente, der oberhalb dieser Grenze liegt, ist pfändbar. Muss der Betroffene keine unterhaltspflichtigen Personen versorgen, liegt diese Grenze derzeit bei 1.260 Euro. Die durchschnittliche Rente bei Männern in Deutschland wiederum beträgt aktuell 1.072 EUR, bei Frauen 823 EUR. Senioren und Seniorinnen sind deswegen momentan weniger pfändungsbedroht.

Etwas zusätzlichen Schutz bietet ein Pfändungsschutzkonto (P-Konto). Mit dieser Version einen Giro-Kontos können Betroffene sicherstellen, dass sie trotz Kontopfändung über den unpfändbaren Teil ihrer Einkünfte verfügen können. Ansonsten können Gläubiger ihnen leicht das ganze Konto leerräumen bzw. den Zugang zum Konto für den Betroffenen von der Bank sperren lassen. Das kann im schlimmsten Fall bedeuten, dass sie nicht einmal das Bargeld haben, um in einem Lokal eine Tasse Kaffee zu trinken.

Wir hoffen, wir konnten Ihnen interessante und vor allem alle wichtigen Informationen über das Thema „Beitragsrückstände bei der Krankenversicherung“ bieten. Zuletzt erweist sich ein bekanntes Zitat als allgemeingültig, das uns ermutigen sollte, rechtzeitig zu handeln und uns widrigen Umständen zu stellen:

Mutig sind diejenigen, die klare Vorstellungen davon haben, was vor ihnen liegt. Sei es Sieg oder Niederlage und ungeachtet dessen hinausziehen und sich dem stellen. (Leopold im Film „Kate & Leopold“ mit Hugh Jackman)

Über die Autorin

BabicMarijana Babic ist Literaturwissenschaftlerin und Historikerin. Nach einigen Jahren im Verkauf hat sie sich nach Abschluss ihres Magister-Studiums 2006 als Journalistin, Texterin und Lektorin selbstständig gemacht. Schwerpunkte dabei sind Soziales, Psychologie und Psychopharmakologie. Eine neue Website befindet sich derzeit noch im Aufbau.

Recherchequellen

> https://advoneo-schuldnerberatung.de/privatinsolvenz-vermeiden/
> https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Ueber-uns-und-Presse/Presse/Meldungen/2021/210707_rente_ist_pfaendbar.html
> https://www.haufe.de/sozialwesen/versicherungen-beitraege/beitragsrueckstaende-in-der-krankenversicherung_240_536626.html
> https://www.bundesamtsozialesicherung.de/fileadmin/redaktion/Gesundheitsfonds/2021/20211001_Rueckstaende_GSV_-_August_2021.pdf
> https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/gesundheit-pflege/krankenversicherung/was-tun-bei-beitragsschulden-in-der-privaten-krankenversicherung-54429


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