Kindererziehungszeiten nachträglich anrechnen lassen: Geht das?

Kindererziehungszeiten

Die Altersarmut betrifft bekanntlich vor allem Frauen, welche zugunsten der Kindererziehung beruflich zurückgesteckt haben. Vor wenigen Jahrzehnten war es noch völlig normal, dass die Mutter für mehrere Jahre aus dem Beruf ausgestiegen ist, um sich voll und ganz den Kindern zu widmen. Diese fünf, zehn oder sogar 20 Jahre fehlen nun aber bei den Rentenbezügen. Ein Problem, das damals nur selten bedacht wurde.



Mittlerweile steigt das Bewusstsein, dass solche Kindererziehungszeiten gleichzeitig Ausfallzeiten bei den Zahlungen in die Rentenkasse bedeuten, was einen Einfluss auf die spätere Rentenberechnung hat. Zwar bleiben die Mütter heutzutage oft nur noch wenige Monate, maximal vielleicht ein bis zwei Jahre dem Job fern – weil sie es so möchten, sie alleinerziehend sind oder der Mann als Alleinverdiener für den Lebensunterhalt schlichtweg nicht mehr reicht. Dennoch stellt sich auch dann die Frage, inwiefern sich solche Kindererziehungszeiten auf die eigene Rente auswirken. Wer hingegen bereits kurz vor dem Renteneintritt steht oder schon Zahlungen bezieht, sollte sich dennoch mit diesem Thema auseinandersetzen. Denn Kindererziehungszeiten lassen sich in einigen Fällen auch noch nachträglich anrechnen.

Altersarmut: Kinder als Rentenfalle

Die durchschnittliche Rente von Frauen [1] liegt derzeit nur bei etwas mehr als der Hälfte von jener, die Männer in Deutschland beziehen. Kein Wunder also, dass vor allem Rentnerinnen hierzulande von der Altersarmut betroffen sind. Ein Zufall ist das allerdings nicht. Einerseits werden Frauen nach wie vor schlechter bezahlt – was vor einigen Jahren beziehungsweise Jahrzehnten noch deutlich gravierender war. Frauen tätigen also trotz Angestelltenverhältnis oft geringere Einzahlungen in die Rentenkasse. Ein noch größeres Problem stellen aber in vielen Fällen die Kinder dar. Dadurch büßen sie nämlich ganze Versicherungsjahre ein, in denen sie aus dem Beruf ausscheiden, um sich der Kindererziehung, dem Haushalt & Co zu widmen. Und selbst, wenn sie zurückkehren, findet das oft nur in Teilzeit statt – mit entsprechend geringerem Einkommen und somit auch Renteneinbußen. Bis heute sind Frauen hinsichtlich ihrer Rente also oftmals von ihrem Ehemann abhängig. Gibt es keinen solchen, scheitert die Ehe, verstirbt er frühzeitig oder kommen andere Hindernisse dazwischen, ist die Frau plötzlich nicht mehr (ausreichend) abgesichert. Angesichts der Zunahme an nichtehelichen Lebensgemeinschaften sowie hohen Scheidungsraten, ist das ein Problem mit steigender Brisanz. Hinzu kommt das stetig sinkende Rentenniveau. Kindererziehungszeiten werden für deutsche Frauen also häufig zur Rentenfalle.

Die Sache mit den Kindererziehungszeiten

KindererziehungszeitenDiese Problematik ist natürlich auch an der Bundesregierung nicht unbemerkt vorbeigezogen und so wurde in den vergangenen Jahren durch mehrere Reformen versucht, Mütter bei der Rentenversicherung gerechter zu behandeln. Seither können sie sich die Kindererziehungszeiten in verschiedenen Modellen anrechnen lassen. Zufrieden ist mit dem Modell bisher zwar noch niemand, so viel sei vorweggenommen. Doch gewiss möchte sich Frau auch kein zusätzliches Geld entgehen lassen. Schließlich ist vor allem angesichts der Altersarmut jeder Cent mehr pro Monat wertvoll. Wie aber funktioniert die Anrechnung der Kindererziehungszeiten?

1. Kindererziehungsleistungen



Lange Zeit hörte die Lösung auf den Namen „Kindererziehungsleistungen“ [2]. Allerdings sind diese auf Mütter beschränkt, welche vor dem Jahr 1921 geboren wurden. Dementsprechend wenige Empfängerinnen gibt es mittlerweile nur noch. Für sie sind die Kindererziehungsleistungen gemeinsam mit der Witwenrente oft die einzigen Bezüge, wovon sie ihren Lebensunterhalt stemmen müssen. Im Jahr 2013 gab es nur noch rund 152 Bezugsberechtigte für die Kindererziehungsleistungen. Mittlerweile dürften es sogar weitaus weniger sein. Welche Regelung hat diese Leistungen also mittlerweile abgelöst?

2. Kindererziehungszeiten

Während die Kindererziehungsleistungen ein Auslaufmodell sind, können sich Mütter mittlerweile die sogenannten Kindererziehungszeiten anrechnen lassen. Der Unterschied liegt in der Finanzierung: Während die Kindererziehungsleistungen aus dem Bundeshaushalt finanziert werden beziehungsweise wurden, stammt das Geld für die Kindererziehungszeiten direkt von der Rentenversicherung. Diese wiederum bezieht dafür entsprechende Beiträge vom Bund und fungiert sozusagen als Zwischeninstanz. Eingeführt wurden die Kindererziehungszeiten im Jahr 1986. Seither gilt:
  • Für Kinder, welche nach dem Jahr 1992 geboren, adoptiert oder in Pflege genommen wurden, kann innerhalb der ersten drei Jahre eine „Familienpause“ eingelegt werden. In diesem Fall hat die Mutter Anspruch auf die Anrechnung von Kindererziehungszeiten.
  • Für den in Anspruch genommenen Zeitraum bezahlt also der Bund die Beiträge an die Gesetzliche Rentenversicherung, welche normalerweise die Mutter entrichten würde. Allerdings werden diese Beiträge nicht individuell berechnet, sondern am Durchschnitt ausgerichtet. Für Besserverdiener kann es daher dennoch zu Senkungen ihrer Rentenansprüche kommen – für Geringverdiener bedeutet dieses Vorgehen sogar ein Plus. So oder so: Im Halbjahr 2016/1 bedeutet die Geburt eines Kindes nach dem Jahr 1992 ein Rentenplus von drei Entgeltpunkten, sprich rund 80 bis 90 Euro mehr – je nach Bundesland.
  • Weiterhin werden die Kindererziehungszeiten auf die Wartezeit angerechnet. Wer also beispielsweise zweimal die vollen drei Jahre „Familienpause“ einlegt, hat damit die Wartezeit von mindestens fünf Jahren erreicht und einen eigenständigen Rentenanspruch erworben.
  • Die Anrechnung findet zudem additiv statt, sprich zusätzlich zu bereits bestehenden Rentenansprüchen, die beispielsweise aus einer Anstellung resultieren.
  • Wichtig zu wissen ist zudem, dass diese Kindererziehungszeiten auch noch nachträglich angerechnet werden können – allerdings spätestens beim Stellen des Rentenantrags.
Wer also kurz vor dem Renteneintritt steht und die Kindererziehungszeiten noch nicht hat erfassen lassen, sollte das schnellstmöglich nachholen. Übrigens kann sich natürlich auch der Vater die Kindererziehungszeiten anrechnen lassen, wenn er den Großteil der Erziehung übernimmt. Allerdings ist das ein Entweder-oder. Es muss also gemeinsam entschieden werden, welches der Elternteile die Kindererziehungszeiten am sinnvollsten anrechnen lässt [3].

3. Mütterrente



Bleibt die Frage, welche Regelungen für Kinder gelten, die vor 1992 geboren wurden? In diesem Fall kann ebenfalls eine Kindererziehungszeit geltend gemacht werden, allerdings nur für das erste Lebensjahr. Um eine Benachteiligung der betroffenen Mütter zu verhindern, wurde aber zusätzlich die sogenannte Mütterrente eingeführt. Demnach haben Mütter einen Anspruch auf die Anerkennung eines zweiten Jahres für die Kindererziehung und durch die Ausweitung der Kindererziehungszeiten ist zugleich möglich, ebenfalls die allgemeine Wartezeit zu erreichen. Sollte der Vater die Kindererziehung übernommen haben, kann auch er die „Mütterrente“ beziehen. Gültig ist sie also für alle Personen mit Kindern, welche vor dem Jahr 1992 geboren wurden – unabhängig davon, ob sie bereits in Rente sind oder nicht. In der Regel werden diese Ansprüche automatisch angerechnet. Ist dies nicht der Fall oder trifft eine Sonderregelung zu, kann ein entsprechender Antrag gestellt werden: vor, zum oder nach dem Renteneintritt.
Für viele Frauen bedeutet diese Neuregelung zudem, dass sie überhaupt erst einen Rentenanspruch erlangen und die Wartezeit erfüllen. Alle wichtigen Informationen stehen im ausführlichen Artikel Mütterrente 2 – zusätzlicher Rentenpunkt für vor 1992 geborene Kinder zur Verfügung.

4. Kinderberücksichtigungszeiten

Zuletzt ist noch der Begriff der Kinderberücksichtigungszeiten relevant. Dabei handelt es sich um die ersten zehn Lebensjahres eines Kindes, in welchen besondere Bestimmungen gelten. Neben den Kindererziehungsleistungen, Kindererziehungszeiten oder der Mütterrente – je nach Jahrgang – sind das folgende Regelungen:
  • Überschneidet sich der Zeitraum mehrerer Kindererziehungszeiten bis zum zehnten Jahr nach der Geburt des jüngsten Kindes, werden dennoch pro Kind jeweils drei Erziehungsjahre angerechnet.
  • Die betreffenden Mütter oder Väter erhalten diese Mehransprüche auch, wenn sie innerhalb dieser drei Jahre ganz oder teilweise Elterngeld beziehen. Dann werden vollautomatisch von der Elterngeldstelle Pauschalbeträge abgezogen, welche die Beiträge für die Sozialversicherungen decken [4]. Endet das Elterngeld, aber noch nicht die Kindererziehungszeit, greifen wieder die pauschalen Beträge, welche sich am Durchschnitt ausrichten.
  • Zudem können Mütter oder auch Väter höhere Rentenanwartschaften für jene Pflichtbeitragszeiten erhalten, welche in den Zeitraum bis zum zehnten Geburtstag des Kindes fallen – allerdings nur, wenn der Verdienst in dieser Zeit unterdurchschnittlich war. So sollen Zeiten der Teilzeitarbeit oder Niedriglohntätigkeit ausgeglichen werden, welche durch die Kindererziehungszeiten entstanden sind. Möglich ist dann eine maximale Erhöhung um bis zu 50 Prozent. Auch diese kann noch rückwirkend für Beitragszeiten ab dem Jahr 1992 beantragt werden.
KindererziehungszeitenEs wird also mit vielerlei Maßnahmen versucht, die Benachteiligung von Elternteilen, welche sich um die Kindererziehung gekümmert haben, bei den Rentenbezügen auszugleichen. Betroffen sind davon vor allem Frauen. Ziel ist, das Problem der Altersarmut langfristig in den Griff zu bekommen und für mehr Gerechtigkeit bei der Rentenverteilung zu sorgen. Für Mütter oder Väter mit entsprechenden Ansprüchen bieten diese Regelungen also eine Möglichkeit, auch nachträglich noch ihre Rentenansprüche zu erhöhen – oder überhaupt solche zu erwerben. Auch kurz vor, beim oder nach dem Renteneintritt ist es deshalb sinnvoll, die korrekte Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten zu überprüfen und gegebenenfalls noch fehlende Anträge zu stellen!

Recherchequellen

[1] http://www.deutsche-rentenversicherung.de/cae/servlet/contentblob/238692/publicationFile/61815/01_rv_in_zahlen_2013.pdf [2] http://www.rechtslexikon.net/d/kindererziehungsleistung/kindererziehungsleistung.htm [3] https://rentenbescheid24.de/kindererziehungszeiten-von-wegen-kinder-erziehen-lohnt-nicht-entgeltpunkte-fuer-die-rente/ [4] https://www.elterngeld.de/elterngeld-rente/ Bildquelle: Fotolia.com; #226201154 | Urheber: fizkes


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Die Kommentare und Meinungen unserer Leser (Leserbriefe)

  1. Maria kommentierte am 11. Dezember 2023 at 11:11

    Wie lange dauert so eine Bearbeitung , der Anrechnung der Erziehungszeiten ?

  2. Eveline Seidel kommentierte am 5. Oktober 2023 at 17:27

    Ich habe eine Wanderfreundin, sie ist Jahrgang 1954. Sie hat 2 Kinder geboren und bekommt keine Kindererziehungszeiten angerechnet. Sie ist Köchin und hat immer gearbeitet. Sie hat sich bisher darum sehr bemüht. Sie bekam von der Rentenversicherung die Aussage, dass es diese Jahrgänge betreffen würde. Ist das richtig? Ich bin selbst 1948 geboren und habe 2 Kinder und erhalte diese Zeiten angerechnet. Ich kann mir diese Ungerechtigkeit nicht vorstellen.
    Ich würde mich sehr über eine Antwort von Ihnen freuen. Die Rente meiner Freundin ist dementsprechend niedrig.

  3. Mayer herbert kommentierte am 16. September 2023 at 9:02

    Können Kindererziehungszeiten im Nachhinein auf den anderen Elternteil übertragen werden?

  4. rolf schäfer kommentierte am 1. August 2023 at 7:54

    guten tag,meine frau ist thailänderin hat 2 kinder in thailand vor 1992 erzogen.sie ist jetzt seit 1,5 jahren im ruhestand.nun meine frage ist es noch nachträglich möglich einen antrag auf kindererziehungszeit zu stellen.danke im voraus für die antwort.rolf schäfer.ps sind seit über 30 jahren verheiratet.

  5. K. Erhard kommentierte am 23. Februar 2023 at 8:54

    Unsere Zwillinge wurden 2003 geboren, am 12. Mai 2022 haben wir eine gemeinsame Erklärung abgegeben, dass dem Vater die Erziehungszeit der ersten 3 Jahre zugerechnet werden soll. Deutsche Rentenversicherung Bayreuth hat entschieden, dass nach objektiven Gesichtspunkten meine Frau überwiegend erzogen hat, deshalb wird unser
    Antrag auf Erziehungszeit abgelehnt.
    Die Rentenversicherung Bund hat meiner Frau 4 Monate Erziehungszeit zugeteilt, mit die restlichen 32 Monate pro Kind. Im Merkblatt der
    Deutschen Rentenversicherung steht: Erzieht
    der Vater das Kind überwiegend, ist die Rückwirkende Anerkennung der Zeiten für ihn
    problemlos möglich.

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